Leben in den USA

Kulturelle Unterschiede

November 24, 2018
Tanja Liebing-Zivanovic

Small Talk meistern: Politik und Streitthemen sind tabu

Small Talk meistern: Politik und Streitthemen sind tabu


Amerikaner sind die Meister des Small Talks. Small Talk wird im Duden definiert als eine höfliche Konversation über unwichtige und nicht kontroverse Inhalte. Diese kurzen Gespräche finden oft in beengten Räumen statt, in Situationen des Wartens und besonders häufig bei sozialen Veranstaltungen. Wenn du dich an einige Regeln hältst, kommst du unbeschadet durch diese meist harmlosen, mitunter jedoch auch heiklen Unterhaltungen.


Die Begrüßung

Fragt dich in Deutschland jemand „Hallo, wie geht es dir?”, dann kannst du in der Regel ehrlich antworten. Je nachdem, wie dein Tag bisher verlief, darfst du „Danke, mir geht’s gut” sagen oder auch „Heute nicht so gut, ich habe Schnupfen und Muskelkater”. Natürlich kommt es darauf an, wo du bist und ob dich ein Freund fragt, ein Arbeitskollege oder der Tankwart. Denn nicht jedem wirst du gleich deine gesamte Leidensgeschichte erzählen. Doch die Frage nach deinem Befinden wird in Deutschland eben meistens mit dem Wunsch nach einer aufrichtigen Antwort gestellt. Nicht so in Amerika. Dort solltest du das lockere „Hi, how are you?” nur als eine erweiterte Begrüßung verstehen. Keiner möchte wirklich wissen, wie es dir geht. Weder, ob du überarbeitet und total schlecht drauf bist, noch, ob du überglücklich bist, weil du im Lotto gewonnen hast. Antworte deshalb immer nur knapp und neutral wie beispielsweise mit „I'm fine, thanks. And you?“


Der kurze Dialog

Die Begrüßungsfloskel geht in einer längeren Situation oft in eine Konversation über. Das berühmte peinliche Schweigen ist in Amerika noch unbeliebter als anderswo. Befindet man sich in einer beengten Wartesituation auf Zeit, wie im Aufzug oder am Postschalter, kann das harmlose Gespräch den unangenehmen Moment verkürzen. Das Wetter ist hierbei ein willkommenes Thema. In Amerika ist das vermutlich noch ein Überbleibsel der englischen Erstbesiedler, die bekanntermaßen sehr gern das Wetter als Gesprächsaufhänger nutzten. Jeder hat dazu eine Meinung und die Wetterlage ändert sich ständig. An der Ostküste wird saisonal gern gefragt, ob du für den nahenden Schneesturm gerüstet bist und eine harmlose Klage über die hohe Luftfeuchtigkeit im Juli oder August ist ebenfalls eine Erwähnung wert. Im sonnigen Kalifornien ist das Wetterthema hingegen nicht so ergiebig.


Der längere, lockere Austausch

Bist du zu einem Abendessen beim Chef eingeladen oder gehst du zu einer Bürofeier, solltest du dir vorab ein paar unverfängliche, aktuelle Gesprächsaufhänger überlegen. Eine Tageszeitung kann mit Ideen helfen. Meiden solltest du hierbei aber in der Regel die Themen der ersten Seite. Blättere lieber weiter hinten nach Gesprächstipps, etwa im Reise-, Sport- oder Kulturteil. Große Sportereignisse sind stets beliebt, allen voran der Super Bowl, oder auch Tennisveranstaltungen wie die US Open. Die Fußballweltmeisterschaft verbindet ebenfalls thematisch Nationen. Doch hat sich in einem Jahr das US-Team nicht qualifiziert, erlischt bei Amerikanern in der Regel sofort das Interesse. Eine Konversation trägt sich dann nur, wenn die Arbeitskollegen etwa lateinamerikanischer Herkunft sind. Reisen sind ebenfalls ein gutes Thema. Amerikaner verreisen gern und häufig, auch wenn sie nur wenige Urlaubstage haben. Du kannst immer fragen, ob sie schon in Deutschland waren und noch weitere europäische Länder kennen.


Ahnenforschung als Aufhänger

Sehr häufig forschen Menschen, deren Familien bereits vor längerer Zeit in die USA eingewandert sind, nach ihren Vorfahren. Es ist immer faszinierend, Amerikaner nach ihren Wurzeln zu fragen. Die meisten können dir genau die Herkunft ihrer mütterlichen und väterlichen Ahnen ab dem 18. Jahrhundert aufsplitten. Häufig war bei den Vorfahren auch jemand aus Deutschland dabei, was zu einem Gespräch über den Herkunftsort und die Geschichte der Familie verhelfen kann.

Aber Achtung: Besondere Sensibilität ist gefragt, wenn du erfährst, dass die Familie deines Gegenübers vor oder während des Zweiten Weltkrieges aus Deutschland geflohen ist. Eine weitgehend unbekannte Erfahrung ist es für viele von uns Deutschen, mit Leuten zu sprechen, die den Holocaust überlebt haben oder dabei viele Familienmitglieder verloren haben. Diese Konversation ist sehr persönlich, aber wenn sie sich ergibt, eine bereichernde Erfahrung.


Wichtig: Politik und Streitthemen vermeiden

Die derzeitige Weltpolitik bietet eine Fülle von Diskussionsthemen. Ob Klimawandel, Waffenpolitik, Immigration, die transatlantischen Beziehungen, kontroverse Weltmächte oder ein seltsamer Dauerhandschlag, all diese Themen laden zu einem Meinungsaustausch ein. Schließlich sind wir alle mehr oder weniger davon betroffen. In Deutschland sind politische Diskussionen beliebt, nicht nur im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, sondern auch in privater Runde. In Amerika solltest du bei oberflächlichen Zusammentreffen mit Kollegen oder bei feierlichen Abendessen diese Themen aber unbedingt außen vor lassen! Es könnte unangenehmes Schweigen folgen und normalerweise wird sich niemand mit dir auf eine solche Diskussion einlassen. Du wirst stattdessen als Außenseiter erkannt, der die ungeschriebenen Regeln nicht einhält.


Bonuspunkt: lächeln und den Europäer ausspielen

Begehst du doch einmal einen Fauxpas wie zum Beispiel zur Begrüßung zwei Wangenküsschen zu geben statt wie in Amerika üblich keins oder nur eins, dann entschuldige dich als unwissender Europäer. Das kann dir zu einem unschuldigen Pluspunkt verhelfen. Besonders wenn du die Aktion mit einem breiten Lächeln begleitest. Lächeln öffnet in Amerika Herzen und Türen. Auch da sagt die Legende, das stamme noch aus der Anfangszeit des Landes, als viele neue Einwanderer keine gemeinsame Sprache teilten und sich nur über die Mimik als Freund oder Feind erkannten.


Über die Autorin:
Tanja Liebing-Zivanovic ist im Saarland aufgewachsen. Nach dem Magisterstudium in Mainz und Louisville hat sie vor dem Umzug nach Amerika zuletzt in Bonn gelebt. Sie ist studierte Film- und Medienwissenschaftlerin und hat als Redakteurin für Fernsehen und Print in Deutschland und New York gearbeitet. Sie lebt seit Januar 2013 mit ihrem Mann und zwei Kindern an New York’s Upper East Side und arbeitet hier als freiberufliche Journalistin.

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