Leben in den USA

Lebenslinien

July 10, 2018
Juliane Tranacher

Lebenslinien: Tanja Liebing Zivanovic, Journalistin in New York

Lebenslinien: Tanja Liebing Zivanovic aus New York


Was bringt Deutsche, Österreicher und Schweizer nach Amerika? Welche wertvollen Erfahrungen haben sie in den USA gemacht und wie hat sie die Zeit im Ausland geprägt? In unserer Interview-Reihe stellen wir deutschsprachige Expats und Auswanderer vor und befragen sie zu ihrem Leben in Amerika, zu ihren Wünschen, Träumen und Sorgen.

Dieses Mal sprechen wir mit der gebürtigen Saarländerin Tanja Liebing Zivanovic. Tanja hat Englisch, Filmwissenschaft und Soziologie in Saarbrücken, Mainz und Louisville studiert. Anschließend war sie als Fernsehredakteurin für das ZDF tätig. Vor dem Umzug in die USA hat sie zuletzt fünf Jahre in Bonn gewohnt. Tanja ist verheiratet und hat zwei Kinder. Im Interview mit uns spricht sie über ihren Alltag in New York und ihre neuen beruflichen Herausforderungen.


Liebe Tanja, wie lange lebst du schon in den USA und wo genau wohnst du?

Ich habe bisher insgesamt neun Jahre in den USA gelebt: Ein Jahr habe ich als Austauschstudentin an der University of Louisville in Kentucky verbracht, die übrigen acht Jahre habe ich in New York City gelebt.

Was hat dich in die USA geführt?

Hergeführt hat mich primär die Arbeit meines Mannes. Er arbeitet als Chirurg am Memorial Sloan Kettering Cancer Center.

Was liebst du besonders an New York?

Ganz klar: Am meisten liebe ich an New York die vielen interessanten Menschen aus aller Welt!

Und was vermisst du besonders an Deutschland?

Mir fehlen der Sonntagsspaziergang in einem duftenden Nadelwald und ein Glas heißer Viez im Herbst und natürlich vermisse ich meine Familie und Freunde.

Wie unterscheidet sich dein Alltag hier von demjenigen in Deutschland?

Der Tag beginnt damit, dass ich aus dem 14. Stock auf die Straße schaue und versuche, zu erkennen, ob die Leute einen Schirm dabei haben. Dann bringe ich meine Kinder via Stadtautobahn zur Schule. Das dauert normalerweise 15 Minuten, reist aber unerwartet der Präsident an oder es ist UNO-Vollversammlung, wird alles gesperrt und wir hängen über eine Stunde fest. Die Schule ist sehr international, ich begrüße meine Bekannten aus aller Welt. Arbeite ich im Museum, kommt es vor, dass Pierce Brosnan oder Yoko Ono vor mir stehen.

Nach der Arbeit steht im Supermarkt ein berühmter Fernsehkoch neben mir an der Kasse; der Supermarkt hat übrigens ganzjährig 24 Stunden geöffnet. Die U-Bahn ist zur Rush Hour total überfüllt, deshalb fahre ich lieber mit dem Citibike. Joggen gehe ich abends im Central Park. Ich koche oft selbst, aber mindestens einmal pro Woche gehe ich zum Inder, Thailänder, Japaner, Mexikaner oder Italiener. Bleibe ich zuhause, wird mir Essen aus all diesen Restaurants per Online-Auswahl ins Haus geliefert. Ich liebe Musik und Kultur, jeden Abend der Woche könnte ich zu einem Livekonzert, ins Theater oder zu einer Lesung gehen. Im Sommer treffe ich gern Freunde in einer Rooftop-Bar, mein Favorit ist der Dachgarten des Metropolitan Museums.

Und wie unterscheidet sich dein Arbeitsleben von demjenigen in Deutschland?

In Deutschland habe ich in großen Redaktionen des ZDF gearbeitet. In New York sind die Auslandsvertretungen deutscher Medien kleiner, was wiederum bedeutet, dass die Aufgabenbereiche größer sind. Muss es schnell gehen, wie beim „Wunder am Hudson“, als ein Passagierflugzeug auf dem Fluss notgelandet ist, renne ich auch einmal selbst mit einem Kabel zur Liveschalte. Die Arbeit ist spannend, näher am Geschehen und ich wurde bereits Zeuge von Weltereignissen. So war ich beim „Super Tuesday“ während Obamas Wahlkampf mit dabei, berichtete von der UNO-Vollversammlung, von Papstbesuchen oder Filmeröffnungen. Zusätzlich zur Medienarbeit habe ich im expressionistischen Museum „Neue Galerie“ gearbeitet und unterrichte Deutsch für bilinguale Kinder an der UNO-Schule. Das sind tolle Jobs, die ich in Deutschland wahrscheinlich nicht gefunden hätte.

Welche Pläne und Ziele hast du für deinen Auslandsaufenthalt?

Spanisch ist in New York und zunehmend in ganz Nordamerika allgegenwärtig. Ich belege seit zwei Jahren Sprachkurse und möchte meine Kenntnisse weiter vertiefen.

Hast du dich durch deinen Umzug nach Amerika verändert?

Ich glaube, dass sich jeder, der den Schritt über den Teich wagt, zwangsläufig verändert. Das Leben ist anders als in Deutschland, die Menschen, ihre Art und die Kultur unterscheiden sich. Nicht zuletzt kommuniziert man ständig in einer Fremdsprache. Ich bin viel offener geworden, welterfahrener, aber auch durchsetzungsfähiger. In New York muss man lernen, sich zu behaupten.

Hast du etwas Spezielles durch das Auswandern und das Leben in Amerika über dich gelernt?

Ich bin stolz auf mich selbst, es in diesem fremden Land und in dieser Großstadt „zu schaffen“, ganz im Sinne von Sinatras „If you can make it here, you can make it anywhere.“. Das wird mir immer dann klar, wenn wir Besuch aus Deutschland haben, der nach ein paar Tagen Alltagsleben mit uns sagt: „Wahnsinn, wie ihr das alles hier macht!“

Was war dein erster Eindruck von New York?

Ich war überwältigt und etwas überfordert!

Wann hattest du das Gefühl, die Amerikaner so richtig verstanden zu haben?

Das Gefühl habe ich bis heute nicht so richtig.

Was hättest du gerne gewusst, bevor du nach Amerika gezogen bist?

Ehrlich gesagt habe ich den ein oder anderen Text meiner Co-Autoren auf HEIMAT abroad gelesen und gedacht, das hätte ich damals auch gern gewusst. Etwa Tipps für den Umzug, und für die Jobsuche, Infos zum Bildungssystem oder generell darüber, wie die Dinge hier in Amerika funktionieren.

Hast du selbst Tipps, wie man sich mental und organisatorisch am besten auf einen Auslandsaufenthalt vorbereiten kann?

Mir hilft es noch heute, mich mit anderen über deren Erfahrungen auszutauschen und mir persönliche Tipps einzuholen. Bietet dir also jemand einen Kontakt vor Ort an, dann vernetze dich unbedingt! Damit ist der erste Schritt in die richtige Richtung getan.

Liebe Tanja, vielen Dank für das Gespräch!

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