HEIMAT abroad | Sommer 2019

EXPAT CORNER

INTERKULTURELLE KOMPETENZ. Verstehen. Nicht erklären.
Dr. Florian Feuser
Beschreibung: Interkulturelle Kompetenz ist eine wichtige Komponente für erfolgreiche Auslandseinsätze.


Von 2003 bis 2005 führte ich in China eine wissenschaftliche Feldforschung zu deutsch-chinesischen Kooperationen durch. Auf dem Programm stand der Besuch einer ganzen Reihe deutsch-chinesischer Joint-Ventures und deutscher Tochterunternehmen. Ihnen allen war unter anderem die Herausforderung gemeinsam, unter hohem Erfolgsdruck einen Konsens bei Entscheidungen zu erarbeiten, Qualitätsstandards einzuführen und umzusetzen, die Anpassung an lokale Infrastruktur und Märkte zu gestalten, geeignete Mitarbeiter zu finden, die Kommunikation mit dem Stammhaus zu gestalten und vieles andere mehr.Interkulturelle Kompetenz als Erfolgsfaktor.

Größere Unternehmen boten ihren Mitarbeitern bereits Vorbereitungskurse an. Als selbstverständlicher Teil einer Auslandsvorbereitung wurden sie aber nicht betrachtet. Das hat sich geändert. Interkulturelle Trainings sind zu einem anerkannten Bestandteil der Entsendung geworden. Gerade auch hinsichtlich der USA hat sich die Anzahl der Unbelehrbaren in Europa, die meinen, es gäbe keinen großen Unterschied, signifikant verringert.

Mittlerweile werden zudem nicht mehr nur allein Mitarbeitern Trainings und Coaching angeboten, sondern auch den sie begleitenden Familienangehörigen. Gut organisierte Unternehmen nutzen das Wissen und die Erfahrungen von Repatriates und passen, sind sie beweglich genug, Organisationsstrukturen und Entsendungspraxis an.

Die Feldforschung ergab, so viel sei an dieser Stelle gesagt, dass aufgrund der zahlreichen Konflikte und Fehleinschätzungen immenser Bedarf für Schulungen besteht. Sie zeigte aber auch die großen Unterschiede der Qualität der Trainings gerade für deutsche Expatriates, die teilweise frappierend war und bis heute ist.


Unrealistische Erwartungen

Als Trainer und als Berater bin ich später häufig mit Seminarteilnehmern konfrontiert worden, die ein einfaches Erklärungsmodell erwarten.Do’s and Don’ts erfreuen sich deshalb nach wie vor besonderer Beliebtheit. Oder auch Ergebnisse der quantitativ geleiteten Forschung, die den Eindruck vermitteln, kulturelle Faktoren allein in Skalen darstellen zu können.

Der Trainingsmarkt umfasst von hochqualitativen Formaten bis hin zum Business-Knigge die gesamte Bandbreite der Qualitätsskala. Gemeinsam ist den Angeboten das Verkaufsversprechen, dass interkulturelle Kompetenzen trainiert werden. Ob dieses Versprechen erfüllt wird, wurde bislang nicht überprüft.


Herausforderungen

Für mich war dies im Rahmen meiner wissenschaftlichen Arbeit Anlass, interkulturelle Kompetenz in den Vordergrund zu rücken. Gängige Definitionen sprechen von der Fähigkeit kulturgerechten Handelns, das zum Erfolg führt. Dahinter verbirgt sich ein ganzer Kosmos wissenschaftlicher Forschung.

Genannt wird z. B. Ambiguitätstoleranz, also die Fähigkeit, auch unklare, mehrdeutige Situationen zu ertragen. Es fehlt aber nach wie vor ein überzeugendes Modell, mit dem die Frage geklärt wird, wie interkulturelle Kompetenz wirksam trainiert werden kann. Wie werde ich ambiguitätstolerant? Viele Trainings kommen an dieser Stelle über eine kulturelle Sensibilisierung nicht hinaus. Immerhin ist damit schon eine Menge getan. Aber es wäre mehr möglich.

Vorsicht ist zudem geboten bei der Fehleinschätzung interkultureller Kompetenzen. So sind Erfahrungen, die während eines Auslandsaufenthaltes gewonnen werden, zweifellos bereichernd. Allerdings wird es problematisch, wenn individuelle Erlebnisse generalisiert werden.

Meist fehlen die notwendigen Instrumente und Konzepte, um Erfahrungen systematisieren und übertragen zu können. Auch dies mag ein Grund dafür sein, dass Angebote auf dem Trainingsmarkt zu finden sind, die über kulturelle Regeln, Erfahrungsberichte und subjektive Erlebnisse nicht hinauskommen. Eine tatsächliche Vermittlung interkultureller Kompetenz findet dann nicht statt.

Dass interkulturelle Kompetenz mittlerweile explizit Einzug auch in Stellenausschreibungen beispielsweise der kommunalen Verwaltung in Deutschland hält, zeigt, dass über Bereiche wie Entsendungen hinausgedacht werden und der Blick auf das lokale Umfeld gerichtet werden muss. Weiterhin ist aufgrund Entwicklungen wie Digitalisierung ganzer Geschäftsfelder oder Fusionen internationaler Unternehmen die Notwendigkeit in den Blickwinkel gerückt, sich mit Kultur als bestimmendem Faktor in Zeiten des kontinuierlichen Wandels näher auseinanderzusetzen.


Mit interkultureller Kompetenz in die Zukunft

An diesem Punkt setzen wir mit unseren Studiengängen an. In ausgewählten BA- und MA-Programmen wieInternationale Wirtschaftskommunikation oderInterkulturelle Kommunikation steht die Schlüsselkompetenz unserer Zeit im Mittelpunkt.

In der Verknüpfung von betriebswirtschaftlichen und kulturellen Kompetenzen legen wir den Grundstein für eine internationale Karriere, aber auch für lokale Aufgabenfelder und Herausforderungen, die interkulturell kompetentes Handeln einfordern. Jungen Menschen eröffnen wir so den Weg hin zu attraktiven, herausforderungsvollen und sinnvollen Aufgabenbereichen. Berufswiedereinsteiger können sich wiederum mit einer im Rahmen unseres Masterstudiengangs erworbenen Qualifikation als Ratgeber, Trainer oder Coach positionieren.

Unseren Auftrag begrenzen wir dabei nicht allein darauf, Menschen berufsrelevante Qualifikationen mit auf den Weg zu geben. Wir verstehen es auch als Beitrag, Wege für eine bessere, weltweite Kommunikation aufzuzeigen. Denn die zentralen und größten Probleme unserer Gegenwart und Zukunft werden sich nur global lösen lassen. Wir beginnen an diesem Punkt nicht mit Erklärungen. Sondern mit der Kunst des Verstehens.


Kurzbio:

Dr. Florian Feuser ist Professor für Interkulturelle Kommunikation an der Hochschule für Angewandte Sprachen des SDI München. Forschungsschwerpunkte bilden Fragen rund um interkulturelle Zusammenarbeit und interkulturelle Kommunikation.

Web:https://www.sdi-muenchen.de/hochschule/

E-Mail: [email protected]




Teile diesen Artikel auf deinem Social Media Kanal:

Unsere Partner