Umzug & Einleben

Umzug

April 1, 2021
Angela Schreiner

Coach of the Month Thema: Wie Kinder einen Umzug ins Ausland meistern können

Ein Umzug wird in den wissenschaftlichen Disziplinen, die sich mit den psychologischen und emotionalen Aspekten beim Menschen befassen, als eine der Veränderungen im Leben eines Menschen eingestuft, die ein tiefgreifender Eingriff in das Leben darstellt und damit den Menschen auch tiefgreifend beeinflusst. Er wird deswegen auch gerne als Stressor bezeichnet.

Ein Umzug ins Ausland ist dabei tiefgreifender als ein Umzug innerhalb derselben Stadt oder desselben Landes. Dementsprechend kann das Stresslevel bei einem Auslandumzug deutlich höher sein, als bei anderen Veränderungen- und das betrifft auch die mitausreisenden Kinder. Um den Stress bei einem Auslandsumzug bei allen Familienmitgliedern zu reduzieren ist eine gute Vorbereitung besonders wichtig. Leider werden Kinder bei der Umzugsvorbereitung noch immer gerne „übersehen“. Wenn du also demnächst mit deiner Familie umziehst, habe bitte auch dein Kind im Blick. In diesem Beitrag findest du ein paar Impulse wie du dein Kind bei einem Umzug ins Ausland gut begleiten und unterstützen kannst.

Was passiert bei einem Umzug genau und wie kannst du dein Kind gut dabei unterstützen, diese Veränderung zu meistern?

Ein Umzug bedeutet eine grundlegende Veränderung in den Lebensumständen. Wir werden aus einem vertrauten Umfeld herausgerissen und in eine fremde Umgebung eingepflanzt. Das Kind muss sich, wie eine Pflanze, an die neue Umgebung anpassen und Wurzeln schlagen. Bei diesem Anpassungsprozess könnt ihr als Eltern euer Kind gezielt unterstützen, so dass die Anpassung leichter und reibungsloser verläuft.

Der Anpassungsprozess bei Kindern beginnt wie bei uns Erwachsenen auch schon vor der Veränderung- nicht erst danach.

Der erste Schritt im Anpassungsprozess ist es, sich mit dem Gedanken an die Veränderung anzufreunden. Auch für Kinder ist es wichtig schon im Vorfeld über den bevorstehenden Umzug informiert zu werden. Dabei gebe ich Eltern gerne die Faustregel „Alter des Kindes in Jahren = Dauer der Vorlaufzeit in Monaten“ an die Hand . Ein 3jähriges Kind sollte also bis zu 3 Monate vorher über den bevorstehenden Umzug informiert werden, ein 6jähriges Kind wenn möglich sogar schon bis zu 6 Monate im voraus. Natürlich nur, wenn man so frühzeitig selbst schon die Auslandsentsendung in trockenen Tüchern hat. Das auf und ab von Verhandlungen zu einem Umzug oder einer Entsendung ins Ausland sollte man zumindest jungen Kindern im Kindergarten- und Grundschulalter ersparen und sie erst einweihen, wenn alles hieb- und stichfest ist.

Weitere Schritte um dein Kind im Umzugsprozess zu unterstützen sind

- deinem Kind zu erklären, wie so ein Umzug in Ausland genau abläuft. Dabei helfen Kinderbücher zu dem Thema sehr gut. Ich habe dazu 2 hilfreiche Produkte entwickelt.

- eine länderspezifische Vorbereitung, d.h. du machst dein Kind mit dem neuen Land vertraut. Das kann über Bilderbücher über das neue Land passieren, über Kinderlieder in der neuen Sprache oder über das Essen und die Essgewohnheiten in dem neuen Land. Einige neue Reize können so schon vorweggenommen werden und die Reizüberflutung und damit Überforderung des Kindes bei der Einreise ins neue Land ist nicht mehr so groß.

- Selbstwirksamkeitserfahrung ist eine wichtige Komponente im Umzugsprozess. Lass dein Kind am Umzugsprozess teilhaben, in dem es bestimmte Dinge dem Alter entsprechend mitbestimmen darf (welches Spielzeug soll ins Handgepäck, auf welchem Platz im Flieger möchte ich sitzen,...), indem es mitreden darf (was wünsch ich mit für unser neues Haus oder Garten) und auch mithelfen darf (Kartons „beschriften“, das Auto vor dem Verkauf putzen, ...). Wichtig ist vor allem bei Letzterem zu wissen, dass hier nicht die Hilfe des Kindes im Vordergrund steht- denn das Mitmischen v.a. kleinerer Kinder wird von uns Eltern eher nicht als Hilfe empfunden- sondern darum, dass dein Kind sich in seinem Rahmen als wirksam erlebt.

- Im Laufe des Umzugsprozesses durchlaufen auch Kinder eine Gefühlsachterbahn. Da sie noch in der Entwicklung sind ist das Emotionale Lernen noch nicht abgeschlossen. Gefühle werden intensiv wahrgenommen und euer Kind wird noch häufig von ihnen überwältigt. Das bekommt ihr als Eltern besonders zu spüren. Je besser euer Kind die eigene Gefühlswelt versteht, desto weniger wird es von den Gefühlen überwältigt werden. Es ist daher wichtig, dass alle Gefühle zugelassen werden. Nur so kann dein Kind seine Gefühle kennenlernen und lernen damit umzugehen. Als Eltern ist es eure Aufgabe euer Kind dabei zu begleiten, Zugang zu seiner Gefühlswelt zu erhalten und Vorschläge zu bekommen, wie es mit den Gefühlen umgehen kann. So entwickelt es Schritt für Schritt eine emotionale Kompetenz und die Tränenausbrüche und Wutanfälle werden stetig weniger werden.

- Das Thema Abschied ist für viele unangenehm, sollte aber nicht unter den Teppich gekehrt werden. Stattdessen ist es wichtig, deinem Kind Abschiedsrituale an die Hand zu geben- es wird sie im zukünftigen Leben noch öfter gebrauchen können. Leben ist Veränderung und wir werden deswegen regelmäßig mit kleinen und großen Abschieden konfrontiert.

- Angekommen im neunen Heimatland ist es wichtig zu akzeptieren, dass jedes Familienmitglied seine eigene Zeitspanne braucht um anzukommen und sich zu Hause zu fühlen. Die Erwartungshaltung, dass man sich nach zwei Monaten eingelebt haben muss, sollte abgelegt werden. Der Prozess des Einlebens ist bei jedem Menschen individuell und unterschiedlich lang.

Nach einigen Monaten im Ausland könnt ihr mit eurem Kind einen Rückblick wagen. In der Rückschau sieht es, wo es am Anfang stand und was es alles bereits gemeistert hat. Besonders hervorstechen werden hier vor allem die Fortschritte im Spracherwerb und die soziale Integration. Dein Kind hat vermutlich bereits neue Spielkameraden gefunden. Dieser Rückblick dient vor allem dazu deinem Kind zu zeigen, was es alles geschafft hat, welche Herausforderung es gemeistert hat. Diese Erkenntnis ist ein wichtiger Baustein für die zukünftige Resilienz deines Kindes. Resilienz ist das Selbstvertrauen zukünftige Herausforderungen zu meistern. Und das ist es doch, was wir Eltern uns für unsere Kinder wünschen: dass sie gestärkt aus dem Abenteuer Ausland hervorgehen.

Angela Schreiner ist Diplom. Sozialpädagogin (FH), zertifizierte interkulturelle Trainerin, Expatmama (2014-2016 in Belgien und bis 2022 in den USA) und Kinderbuchautorin. Das mobile Leben und seine Herausforderungen sind ihr Herzensthema. Als Sozialpädagogin unterstützt sie mobile Familien mit fundierter Erziehungsberatung und individuellem Coaching. Seit 2021 gehören Online Kurse zu ihrem Angebot, die Eltern bei der Vorbereitung unterstützen. Du bist nicht alleine! Mehr Informationen dazu gibt es hier: www.ik-perspektivwechsel.de


Teile diesen Artikel auf deinem Social Media Kanal:

Unsere Partner