Fremd im eigenen Land
Fremd im eigenen Land
Die Rückkehr aus dem Expat-Leben gehört zu den unterschätzen Herausforderungen. Dr. Jonna Struwe, Gründerin des Netzwerks Expatmamas weiß das aus eigener Erfahrung. Ein Gastbeitrag.
Niemand, weder der Expat selbst noch seine Umgebung daheim, erwartet größere Anpassungsschwierigkeiten bei der Rückkehr in die Heimat – und genau darin liegt die Gefahr. Denn die Probleme treffen die Beteiligten in der Regel unerwartet.
Auch ich bin in diese Falle getappt. Als wir nach Deutschland zurückkamen, hatte ich etwas Entscheidendes nicht verstanden: Für unsere Kinder (damals drei und vier Jahre alt) war es keine Rückkehr. Ich hatte nicht erwartet, dass sie Probleme haben würden, und habe deswegen ihren Kummer zu lange übersehen. Ich fand ihr Erstaunen darüber, dass ja alle Deutsch sprechen, eher drollig; ihre Tränen über dies und das erklärte ich mit Übermüdung und die grauenhaften Wutanfälle mit einer ungewöhnlichen Trotzphase. Erst als Kind 1 aufhörte, regelmäßig auf die Toilette zu gehen, Kind 2 dagegen das Bett nachts wieder nass machte, dämmerte mir, dass da was im Argen lag. Heute würde ich sagen: Der Groschen fiel pfennigweise.
Ann Wöste, selbst einmal Expat und inzwischen Coach für Expat-Familien, schreibt hier: „Bei der Ausreise ist klar, dass das Leben in einem neuen Land mit neuen Bezugspersonen und einer fremden Sprache eine große Umstellung bedeutet, die einer gewissen Eingewöhnungszeit bedarf, und wo mit Stress und emotionalen Turbulenzen zu rechnen ist. Jeder kennt das Phänomen des Kulturschocks und wäre wohl eher verwundert, bliebe er aus. Dass es aber auch einen umgekehrten Kulturschock, den sogenannten Reentry-Schock geben kann, darauf sind die wenigsten Rückkehrer vorbereitet. Und jedes Familienmitglied ist anders betroffen.“
Herausforderungen bei der Rückkehr
Die Kinder
Nur für ältere Schulkinder ist die Rückkehr tatsächlich eine Rückkehr. Für alle anderen liegen die Jahre in Deutschland zu weit zurück, als dass die Kinder wirklich lebhafte Erinnerungen hätten beziehungsweise in die gleiche Lebenssituation zurückkehren würden. Ann Wöste sagt dazu „Rückkehr impliziert immer die Ankunft an einen uns vertrauten Ort. Es hat etwas mit Heimatgefühl, Sicherheit und Geborgenheit zu tun. Ein Ort, an dem wir uns intuitiv richtig verhalten, weil wir die Regeln kennen, und ein Ort, mit dem wir einen Großteil unserer eigenen Geschichte verbinden.“ Das mag für die Erwachsenen so sein, doch – wie Ann Wöste betont – eben selten für die Kinder.
Wer als Kindergartenkind ausreiste, kommt als Schulkind wieder und der deutsche Schulalltag ist fremd. Wer als Grundschulkind das Land verlies, muss sich mit der weiterführenden Schule neu orientieren. Und selbst wenn die Kinder in die gleiche Klasse zurückkehren, so werden sie sich anpassen müssen an neue Freundschaftskonstellationen in der Klasse, Themen, die „in“ sind, und die Tatsache, dass sich kaum einer dafür interessiert, wie das Leben im Ausland war. Kinder entwickeln sich in wenigen Jahren in riesigen Schritten, ihre Persönlichkeit bildet sich erst, sie kommen daher nie in eine unveränderte Situation zurück.
Der Expat-Partner
Wer mit den Eingewöhnungsschwierigkeiten der Kinder nicht rechnet und erwartet, dass sofort alles seinen gewohnten Gang geht, der wird schnell unter Druck geraten bei der vielleicht drängendsten Frage für viele Expat-Partner- und Partnerinnen: nämlich der Frage nach dem beruflichen Wiedereinstieg. Selbst wenn man persönlich das Thema langsam angehen möchte, sieht man sich oft mit unverständigen Fragen der Umgebung konfrontiert, wie es denn nun mit der Berufstätigkeit stünde, die Kisten wären doch sicher ausgepackt. Doch selten geht es für die Expat-Partner einfach zurück in den alten Job; viel öfter muss man sich nach den Auslandsjahren völlig neu bewerben. Das birgt viel Verunsicherung, bietet Anlass für Unzufriedenheit und kostet Zeit und Energie.
Der Expat
Und auch wer als Expat einst ins Ausland geschickt wurde, kehrt nicht einfach heim ins gemachte Nest. Viele Expats stellen bei der Rückkehr fest, dass die erhoffte Anschlussstelle nicht so leicht zu finden ist und man mitunter mit einer Übergangslösung leben muss. Auch an steilere Hierarchien und die deutsche Bürokultur müssen sich Zurückkehrende wieder gewöhnen. Auch hier ist schnell unzufrieden, wer nicht mit diesen Schwierigkeiten rechnet, und auf manche wirkt der Arbeitsalltag in Deutschland so befremdlich, dass sie unwillkürlich nach der nächsten Entsendungsoption Ausschau halten. Leider lassen immer noch etliche Unternehmen ihre Mitarbeiter mit der Re-Integration allein, in der irrigen Annahme, dass die Entsendung mit dem Betreten deutschen Bodens abgeschlossen sei.
4 Tipps für eine gelungene Rückkehr
Aus meiner eigenen Rückkehr-Erfahrung heraus und dem Austausch mit vielen Expat-Familien bei den Expatmamas empfehle ich daher vier Dinge:
1) Betrachte eine Rückkehr als weitere Auslandsstation
So bist du innerlich darauf vorbereitet, dass du dich auch wieder an das Leben in Deutschland gewöhnen musst und Gefühlsschwankungen treffen dich nicht unvorbereitet.
2) Bereite den Abschied langfristig vor und feier gebührend
Mach mit der Familie eine Liste, was ihr im Ausland noch unbedingt machen wollt und schafft Erinnerungen für die Kinder zum Beispiel mit Hilfe eines Freundebuches (sehr empfehlenswert: Petra Houweling:Friendship-Book – for kids on the move).
3) Betone gegenüber den Kindern das „Wieder-zuhause-sein“ nicht zu sehr
In der Regel werden deine Kinder das Leben im Ausland als Zuhause betrachten; sie erleben den Umzug nach Deutschland als Verlust, als Zeit großer Verunsicherung. Gib ihren Ängsten und ihrer Trauer Raum. Überfordere die Kinder nicht mit zu vielen Aktivitäten, für sie ist alles neu. Sie brauchen Zeit, sich einzufinden – und zwar genauso lange wie beim Umzug ins Ausland.
4) Setze dich beim beruflichen Wiedereinstieg nicht unter Druck
Hab Geduld mit dir und anderen.
Als Expat-Partner: Investiere Zeit in das Wiedereinleben der ganzen Familie und schaffe so eine verlässliche Grundlage für deinen eigenen Wiedereinstieg. Ein solides Fundament wird deine eigenen Vorhaben nachhaltig tragen. Suche dir professionelle Unterstützung, um die Auslandsjahre gewinnbringend im Lebenslauf zu präsentieren.
Als Expat: Beobachte die Gepflogenheiten und halte dich in den ersten Monaten mit Vergleichen zurück, so wie du es im Ausland auch getan hättest. Fordere vom Unternehmen Unterstützung bei der Re-Integration und vergiss bei aller Arbeit nicht die Familie daheim, die deine Unterstützung für ein gemeinsames Wiedereinleben braucht.
Über die Autorin:
Jonna Struwe hat mit ihrer Familie vier Jahre in Großbritannien gelebt. 2014 hat sie die Online-Community Expatmamas gegründet, die Familien im Ausland in Alltagsfragen unterstützt. Auf ihrem Blog schreibt sie regelmäßig über verschiedenste Expatthemen. Seit Sommer 2018 lebt sie mit ihrer Familie zum zweiten Mal im Ausland - dieses Mal in Atlanta, Georgia.