Rückkehr als Neuanfang
Die Corona Pandemie lässt viele Expats über eine Rückkehr nach Deutschland nachdenken. Dabei unterschätzen viele das vermeintlich leichtere Einfinden in die alte Heimat. Dr. Jonna Struwe, Gründerin des Netzwerks Expatmamas weiß das auseigener Erfahrung. Rückkehren zu Zeiten von Corona.
Jonna, du hast viele Jahre im Ausland gelebt - erst UK, dann USA. Vor ein paar Tagen ist deine Familie wieder nach Deutschland gezogen. Wie fühlt sich das an?
Fremd und vertraut zugleich. Wir sind Ende Juli in Deutschland angekommen und es ist herrlich, wieder im eigenen Garten zu sitzen und die Ruhe zu genießen gegenüber downtown Atlanta mit seinen lauten Sirenen und brummenden Klimaanlagen. Und gleichzeitig fühlt es sich an, als wären wir in Lilliput eingezogen: Alles sieht auf einmal so klein aus, die Grundstücke, die Straßen, das Haus, die Zimmer, die Waschmaschine.... Auch Sehgewohnheiten brauchen Zeit sich umzustellen. Unsere Kinder haben spontan festgestellt, wie erwachsen sie sich auf einmal fühlen und dass sie ihre Zimmer plötzlich als sehr kindlich empfinden. Sie haben sofort das Aussortieren und Umräumen angefangen.
Und natürlich hat Corona auch Deutschland verändert – es ist nicht mehr das gleiche Land, das wir hinter uns gelassen hatten.
Was war dieses Mal durch Corona anders?
Dieses Mal konnten wir bei der Rückkehr kaum Abschied nehmen und auch das Begrüßen tut weh, wenn man niemanden in den Arm schließen kann.Die Kinder haben keinem Klassenkameraden wirklich Lebwohl sagen können. Mitte März begann der virtuelle Unterricht, der bis zu den Sommerferien blieb. Am Bildschirm „Tschüss“ zu sagen, hinterlässt ein maues Gefühl. Ich habe meine Freundinnen zwar noch gesehen, aber nur auf Distanz. Am letzten Wochenende in Atlanta haben wir noch eine kleine Tour durch die Stadt gemacht für ein paar Fotos und um den Gebäuden zu winken. Kein letzter Besuch mehr im Aquarium oder im Lieblingsrestaurant.
Und in Deutschland mussten wir zunächst in Quarantäne und Freunde haben uns mit Einkäufen versorgt. Da sieht man sich nach einem Jahr zum ersten Mal wieder und kann nur von der Haustür winken. Immerhin tröstet es hier, dass wir wissen, dass wir uns ganz bald schon umarmen können. Anders als beim Abschied in den USA.
Ist es leichter, zurückzukehren als wegzugehen?
Ich denke nur im ersten Moment, nur an der Oberfläche. Natürlich ist Vieles vertraut, was dazu führt, dassniemand, weder der Expat selbst noch Familie und Freunde in Deutschland, größere Anpassungsschwierigkeiten erwarten bei der Rückkehr in die alte Heimat. Aber genau darin liegt die Gefahr. Denn die Probleme treffen die Beteiligten in der Regel unerwartet.
Auch ich bin beim ersten Mal in diese Falle getappt. Als wir nach vier Jahren in England zurückkamen, hatte ich etwas Entscheidendes nicht verstanden: Für unsere Kinder (damals drei und vier Jahre alt) war es keine Rückkehr. Ich hatte nicht erwartet, dass sie Probleme haben würden, und habe deswegen ihren Kummer zu lange übersehen. Ich fand ihr Erstaunen darüber, dass ja alle Deutsch sprechen, eher drollig; ihre Tränen über dies und das erklärte ich mit Übermüdung und die grauenhaften Wutanfälle mit einer ungewöhnlichen Trotzphase. Erst als Kind 1 aufhörte, regelmäßig auf die Toilette zu gehen, Kind 2 dagegen das Bett nachts wieder nass machte, dämmerte mir, dass da was im Argen lag. Heute würde ich sagen: Der Groschen fiel pfennigweise.
Heute sind die Kinder Teenager und erleben den Übergang bewusst mit. Trotzdem habe ich mir vorgenommen, genauer hinzusehen, denn sie haben sich durch die Erfahrungen in den USA verändert und damit auch ein Stück entfremdet und es wird sicher an der ein oder anderen Stelle hakeln.
Mit welchen Schwierigkeiten rechnest du?
Man könnte ja meinen, eine globale Erfahrung wie die derzeitige Pandemie, bringt uns alle auf der Welt einander ein Stück näher. Das stimmt. Aber nur zu einem Teil.
Wir spüren schon nach so kurzer Zeit in Deutschland, dass wir uns an die relative Sorglosigkeit hier erst gewöhnen müssen. Wir haben gerade einen Hotspot hinter uns gelassen, Georgia hat genauso viele Corona-Fälle und Tote wie Deutschland, aber nur ein Zehntel der Bevölkerung (von den USA insgesamt ganz zu schweigen). Sich dort anzustecken, war wesentlich wahrscheinlicher als es je in Deutschland war. Wir sind wesentlich mehr auf Distanz bedacht und die Kinder fürchten, dass sie, wenn sie ihre antrainierte Vorsicht nicht den deutschen Gegebenheiten anpassen, von ihren Freunden komisch angeschaut werden könnten. Wir haben ja kein Schild umhängen: „Bitte haben Sie Geduld. Wir sind eben erst dem Hotspot entkommen.“
Also werden wir es aushalten müssen, wenn unser spontanes Ausweichverhalten beim Gegenüber für Irritation sorgt. Und es wird auch in anderer Hinsicht ein ständiges Sich-selbst-Erinnern werden, dass man aufgrund der Erfahrung in der Fremde mitunter einen anderen Blickwinkel hat.
Würdest Du sagen, es wird leichter, je älter die Kinder sind
Das kann man so pauschal nicht sagen. Für ältere Schulkinder ist die Rückkehr tatsächlich eine Rückkehr. Für unsere heißt es dieses Mal: gleiche Stadt, gleiches Haus, gleiche Schule, gleiche Klasse.
Für kleinere Kinder liegen die Jahre in Deutschland zu weit zurück, als dass sie wirklich lebhafte Erinnerungen hätten beziehungsweise in die gleiche Lebenssituation zurückkehren würden. Wer als Kindergartenkind ausreiste, kommt als Schulkind wieder und der deutsche Schulalltag ist fremd. Wer als Grundschulkind das Land verließ, muss sich mit der weiterführenden Schule neu orientieren. Aber selbst wenn die Kinder wie unsere jetzt in die gleiche Klasse zurückkehren, werden sie sich trotzdem anpassen müssen an neue Freundschaftskonstellationen in der Klasse, Themen, die „in“ sind, und die Tatsache, dass sich kaum einer dafür interessiert, wie das Leben im Ausland war.Kinder entwickeln sich in wenigen Jahren in riesigen Schritten, ihre Persönlichkeit bildet sich erst, sie kommen daher nie in eine unveränderte Situation zurück.
Welche Tipps hast du für den Expat-Partner bei der vermeintlichen Rückkehr?
Wer mit den Eingewöhnungsschwierigkeiten der Kinder nicht rechnet und erwartet, dass sofort alles seinen gewohnten Gang geht, der wird schnell unter Druck geraten bei der vielleicht drängendsten Frage für viele Expat-Partner- und Partnerinnen: nämlich der Frage nach dem beruflichen Wiedereinstieg.
Selbst wenn man selbst das Thema langsam angehen möchte, kommt oft die unverständige Frage der Umgebung, wie es denn nun mit der Berufstätigkeit stünde, die Kisten wären doch sicher ausgepackt. Aber für die wenigsten Expat-Partner geht es einfach zurück in den alten Job; viel öfter muss man sich nach den Auslandsjahren völlig neu bewerben. Das birgt viel Verunsicherung, bietet Anlass für Unzufriedenheit und kostet Zeit und Energie.
Durch die Corona-Krise ist auch noch die Arbeitsmarktsituation angespannt, das macht es nicht leichter. Außerdem kann niemand voraussagen, ob Schulen und Kindergärten nicht wieder phasenweise schließen müssen, ein Unsicherheitsfaktor nicht nur für Rückkehrer.
Und worauf sollte sich der Expat einstellen?
Auch der Expat kehrt nicht einfach heim ins gemachte Nest. Schon in Vor-Corona-Zeiten stellten Viele bei der Rückkehr fest, dass die erhoffte Anschlussstelle nicht so leicht zu finden war und man mit einer Übergangslösung leben muss. Und wer derzeit kurzfristig bzw. früher als geplant die Entsendung beendet oder beenden muss, der wird sich noch viel eher mit einem Kompromiss arrangieren müssen. Das birgt viel Frustrationspotential, gerade weil Expats die Entsendung ja oft antreten, weil sie sich einen Karriereschub erhoffen.
Leider lassen immer noch etliche Unternehmen ihre Mitarbeiter mit der Re-Integration allein - in der irrigen Annahme, dass die Entsendung mit dem Betreten deutschen Bodens abgeschlossen sei. Aber gerade dann wäre eine professionelle Begleitung umso wünschenswerter.
Über die Autorin:
Jonna Struwe hat mit ihrer Familievon 2005 bis 2009in Großbritannien gelebt. 2014 hat sie die Online-Community Expatmamas gegründet, die Familien im Ausland in Alltagsfragen unterstützt. Auf ihrem Blog schreibt sie regelmäßig über verschiedenste Expatthemen. Im Sommer 2018 ging es mit ihrer Familie zum zweiten Mal ins Ausland - dieses Mal nach in die USA nach Atlanta, Georgia. Ende Juli 2020 ist Jonna nach Deutschland zurückgekehrt.